Samstag, 26. Januar 2013
Der Traum vom Meer.
Ich stand am Meer. Den Blick geneigt.
Vor mir eine Zeichnung im Sand.
Ich war geflohen vor dem Treiben der Stadt.
Dem Händeringen.
Dem Angstschweiß auf meiner Stirn.
„Du wolltest mich sprechen?“
Fußspuren im Sand.
Ich nickte.
Ein hagerer, alter Mann trat zu mir. Sein Haar vom Wind zerzaust.
„Erzähl‘ mir etwas über das Meer.“ Bat ich ihn.
Er schwieg einen kurzen Moment, bevor er zu erzählen begann.
„Mein Großvater hat geglaubt, dass das Meer eine eigene Gottheit ist. Eine Gottheit, die liebt und hasst und alles in sich vereint. Als er starb wollte er, dass seine Asche ein Teil dieser Gottheit werden sollte und ihm wurde eine Meeresbeisetzung zuteil.“
Er schwieg.
Eine Böe peitschte mir das regennasse Haar zurück.
Die Zeichnung zu meinen Füßen war bereits vom Wasser verwischt.
Eine glatte, sandige Oberfläche.
„Es gibt keinen Gott.“ Stellte ich fest, als das Meer meine Füße berührte.
Unwillkürlich musste ich an mein Mobiltelefon denken.
Es drückte in meiner Hosentasche.
Wie ein warmer, gewohnter Fremdkörper.
So nahm ich es heraus und hielt es dem alten Mann hin.
Er schüttelte nur den Kopf und starrte auf das unruhige Meer.
„Es gibt nur keinen Gott _in dir_.“ Er wandte sich ab.
Ich beobachtete, wie die Wellen zyklisch an meine Füße drängten.
Plötzlich kam mir das Wasser viel zu grün vor.
Grün-grau.
Gar nicht so schön und blau wie in den Werbeprospekten.
Gar nicht schön.
Kälte umspülte meine Knöchel.
Der Mann verließ mich wortlos.
Ich starrte in die Ferne. So lange, bis mir kleine Pünktchen vor die Augen traten.
Im nächsten Moment lag ich auch schon im Wasser.
Die Wogen hatten von meinem Körper Besitz ergriffen.
Kaltes Salzwasser in meinem Mund.

Hustend erwache ich.
(c)

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