Mittwoch, 30. Januar 2013
Apartment 13 D, Zweiter Teil
„Kannst Du mich mitnehmen?“ Cindy klopfte mit einem treudoofen Gesicht an die Scheibe von Sams schrottigen Golfs.
Widerwillig öffnet er die Beifahrertür.
„Du fährst doch zur Uni, oder?“ Fragte sie, als sie sich bereits in den Sitz hatte plumpsen lassen und ihr Gesicht im Innenspiegel begutachtete.
„Nein. Aber ich kann dich in der Nähe absetzen.“
„Supi! Ich schreibe heute nämlich einen Test und würde sonst zu spät kommen.“
Sam gab Gas, sodass der Eyeliner, den sie gerade angesetzt hatte von der perfektionierten Linie radikal abwich.
Cindy fluchte.
Ein breites Grinsen erschien auf Sams Gesicht.
„Ist wohl ein Cooper Test, was?“
Cindy funkelte ihn böse an, während sie versuchte aus ihrer Miniaturhandtasche ein Taschentuch zu fischen.
„Ich finde es schade, dass wir nicht so gut miteinander zurechtkommen.“ Kommentierte sie.
„Ich nicht.“ Bemerkte Sam trocken.
Stille.
„Komm‘ schon, wir fangen einfach nochmal von vorne an.“ Ein breites, falsches Lächeln verzerrte ihre zugekleisterten Gesichtszüge. „Ich bin Cindy, schön dich kennenzulernen!“
„Abgelehnt.“ Brummte Sam.
Was für ein Kindergarten.
Sie zog ein schmollendes Gesicht.
„Ach, Komm‘ schon. Saaaaaaaaaaaaaam.“
Das wars.
Sam hasste es, wenn sein Name betont in die Länge gezogen wurde.
„Wir sind da.“ Verkündete er und hielt am Straßenrand, mitten im Industriegebiet.
„Aber…“ Cindy starrte widerwillig aus dem Wagen.
„Ich habe nur gesagt, dass ich dich in der Nähe absetze.“
„Aber.. Aber… Hier muss ich bestimmt noch zwanzig Minuten laufen, bis ich irgendwo ankomme!“
„So wie ich dich fälschlicherweise nicht gefragt habe, was du unter dem Begriff ‚Ruhe‘ verstehst, als ich dir sagte, dass ich meine Ruhe haben will, hast du auch nicht gefragt, was ich unter dem Begriff ‚nah‘ verstehe.“
Empört und noch immer ungläubig stieg Cindy aus dem Auto.

„Alter, das kannst du einfach nicht bringen…“ Gerade in der WG angekommen wurde Sam von Jonas Worten durch den Flur verfolgt.
„… Die Braut ist scharf. Du kannst sie doch nicht einfach irgendwo aus dem Auto schmeißen.“
„Sie ist mit halt auf den Sack gegangen.“ Sam zog die Schultern halbherzig hoch, als er sich in der Küche etwas Kaffee in seinen benutzten Becher schenkte.
„Aber Du musst doch nicht gleich SO reagieren.“ Jonas gestikulierte wild mit seinen Armen um seine Aussage zu unterstreichen.
„Erinnerst du dich, wie du dich verhalten hast, als Sina dir ein Freundschaftskettchen geschenkt hat?“
„Das war was anderes. Diese Kettchen sind einfach mega schwul. Und sie erinnern mich an tote Hundewelpen.“ Jonas verzog das Gesicht.
Sam hob die Augenbrauen.
„Du hast ihr daraufhin regelmäßig die Reifen ihres Fahrrads zerstochen und steif behauptet das sei der Fluch der toten Welpen.“
„Aber…“
Jonas sah so aus, als versuchte er etwas zu erwidern, aber er schien einfach keine Worte zu finden.
„… äh…“
Sam schüttelte den Kopf.
„… Das hat nichts mit Cindy zu tun!“ schloss Jonas schließlich seinen Eiertanz.
Damit wandte er sich ab und trat den Weg zu seinem Zimmer an.
Sam stellte die leere Kaffeetasse ab und entschied sich die ganze Kanne mit auf sein Zimmer zu nehmen.
Gerade, als er den Flur betrat, kam Jonas rückwärts aus seinem Raum gestolpert.
„Da … das.. da… da….“ Stammelte er und deutete in die geöffnete Tür seines Zimmers.
„Mh?“ Sam trat zu ihm und folgte mit seinem Blick Jonas Finger.
Mitten im Zimmer auf einem säuberlich aufgetürmten Klamottenstapel, lagen zwei junge Katzen.

„Die kann ich NIE wieder anziehen.“
Die drei saßen am Küchentisch und Jonas hielt seine Klamotten, auf denen zuvor noch die Katzen gethront hatten Cindy unter die Nase, die diese pikiert zurückschob.
„Es tut mir leid. Das konnte ich ja nicht ahnen, dass du so eine panische Angst…“
„Ich muss sie wegwerfen!“ Unterbrach Jonas sie kopfschüttelnd, als hätte er ihre Worte gar nicht gehört.
Nachdem er den für ihn grausigen Fund in seinem Zimmer gemacht hatte, war er nicht mehr zu beruhigen gewesen.
Sam hatte sofort ein Tierheim kontaktiert und die beiden Jungtiere so schnell es ihm möglich war, aus der Wohnung entfernt. Als er wiedergekommen war, hatte sich Jonas noch immer geweigert sein Zimmer zu betreten.
„Ach komm. Die waren doch wirklich süß…“
Jonas starrte sie an, als hätte sie sich gerade in eine Außerirdische verwandelt.
„Wo hattest du sie eigentlich her?“ Fragte Sam um das Thema zu wechseln. Jonas schien bereits an den Grenzen des Ertragbaren gekommen zu sein.
„Ich habe sie auf dem Weg zur Uni in einem alten Abflussrohr entdeckt. Sie waren ganz alleine.“
Jonas warf Sam einen ätzenden Blick zu. „Ich habe doch gesagt, es wäre besser gewesen, wenn du sie bis zur Uni gefahren hättest.“
Sam zog die Augenbrauen hoch.
„Sicher.“ Sagte er nur und verschwand mit seiner Kaffeetasse aus dem Zimmer.

Am Abend, als sich Sam erneut in der Küche zu schaffen machte, traf er wieder auf Cindy, obwohl er das vermeiden wollte.
„Hey, ich dachte mir, ich bestell‘ uns was leckeres und wir schauen alle gemeinsam `nen Film?“
„Denken.. mhm..“ murmelte Sam vor sich hin, als er versuchte den alten, schwachen E-Herd ans Laufen zu bekommen.
„Ok!“ Trompetete Cindy, die sein Gemurmel offensichtlich falsch interpretiert hatte. „Dann hole ich nur noch schnell Jonas und dann geht’s los!“
Sam warf einen Blick auf seine Uhr. „Um die Uhrzeit keine so gute Idee.“ Warnte er sie im Hinausgehen.
Bewusst langsam drehte sie sich zu ihm um.
„Was spielst du jetzt schon wieder.“
Sam zuckte betont gleichgültig mit den Schultern.
„Pff!“ Machte Cindy nur und stakste davon.
Wenige Augenblicke später war ein kurzer Aufschrei zu hören.
Sam schüttelte den Kopf und steckte sich eine Zigarette an.
Entsetzt betrat Cindy wieder die Küche.
„Wa.. Warum? WARUM?“ geiferte sie nur.
„Alter!“ Jonas kam mit halb offener Hose aus seinem Zimmer. „Ich brauche meine Ruhe beim Wichsen! Hast Du ihr nichts gesagt?“
Sam zuckte erneut mit den Schultern und zog an seiner Zigarette.
Cindy machte ein Gesicht, als hätte sie etwas Ekliges gegessen.
„Man!“ Jonas drängelte sich an ihr vorbei um den Kühlschrank zu öffnen. Aus dem untersten Fach fischte er eine Melone und verschwand wortlos wieder in seinem Zimmer.
„Jetzt muss die Melone dran glauben.“ Kommentierte Sam trocken, während Cindys Gesichtszüge entgleisten.
„OH GOTT! IHR SEID DOCH ALLE PERVERS!“ Rief sie empört und flüchtete beinahe panisch aus der Küche.

Am nächsten Tag, stieß Jonas Sams Tür ohne anzuklopfen auf.
„Wir haben ein Problem man.“
„Mh?“ Sams halb gerauchte Zigarette glimmte in der Dunkelheit.
„Wir brauchen einen neuen Mitbewohner.“
Ein breites, diabolisches Grinsen auf Sams Zügen.
„Ich wüsste da schon was…“
(c)

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