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Donnerstag, 7. Februar 2013
Oh Johnny.
dermensch, 13:40h
Wir saßen auf einem Felsvorsprung. So klein kam man sich vor in Anbetracht dieser starr gewordenen Naturgewalt. Johnny hatte ein kleines Kofferradio mitgebracht und wir hörten den metallischen Sound aus den kleinen Lautsprechern. Ich stieß eine leere Bierdose an und sie rollte von dem Vorsprung. Man hörte das laute Geräusch, das von dem Verbeulen des Metalls kam, während sie viele Meter tief den Steinabhang hinunterfiel. Eddie lachte. Ein pubertäres, aufmüpfiges Lachen. Ein Lachen, dass verbergen sollte, wie sehr er sich fürchtete. Eddie. Womöglich würde es ihm eines Tages doch leid tun, dass er sich mit uns abgab. Aber das war mir gleichgültig. Er war mir so gleichgültig. Alles war mir so gleichgültig.
Aus dem Radio drang eine bekannte Melodie, doch so fremd in meinen Ohren. Wie unpassend sie hier zu hören. Wie unpassend, alles.
Ich zog an meinen Joint. Bald werde ich auch das nicht mehr spüren, dachte ich. Johnny gab ein müdes Lachen von sich. Was er wohl gerade gedacht hatte.
Ich fuhr mir mit der Hand über meinen Kopf, mein Kopf, der jetzt mit frischem Flaum bedeckt war. Dieses unvergleichbar weiche Gefühl, wenn sie wieder nachwachsen. Auch Eddie hatte sich die Haare abrasiert. Wahrscheinlich um dazuzugehören, was in Anbetracht der Situation ziemlich bitter war – erbärmlich sogar.
Johnny begann unvermittelt zu erzählen „Ist unser Leben zu kurz, oder das der anderen zu lang? Wisst ihr, ich habe nicht das Gefühl etwas verpasst zu haben. Ganz und gar nicht. Ich sitze hier und genieße jeden Augenblick mit der Hingabe eines Sterbenden. Es ist ein ganz besonderes Gefühl. Plötzlich ist alles Treiben der Welt so Nichtig und es gibt nichts mehr, was mir Angst macht.“ Er stand auf. Durch die tief stehende Abendsonne zog sich sein Schatten lang. Er ging ganz nach vorne, ganz dicht an den Abgrund und breitete die Arme auseinander. „Und jeder Atemzug wird zu etwas ganz Bedeutsamen, als hätte er seine ganz eigene Welt. Sollte man nicht so leben? Ist es nicht das, was den anderen Menschen fehlt?“ Eddie schwieg. Ich lehnte den Kopf gegen den kalten Felsen. „Irgendwann werden wir alle drauf gehen. Früher oder später. Alle.“ „Auch Chuck Norris?“ giggelte Eddie. Johnny beachtete ihn gar nicht und begann auf der Kante des Felsvorsprunges, auf dem wir saßen, zu balancieren. „Die eigenen Schmerzen sind zu ertragen, aber die der anderen nicht. Was wenn ich jetzt abstürze? Würde es nicht Monate, Jahre des Leidens ersparen? …“ Er hielt inne „Wenn man weiß, dass man sterben wird, ist alles so viel einfacher.“ Er stand nur im T-Shirt da, sein Atem schlug weiße Wölkchen in den abendlichen Himmel. „Keine Regel hat mehr Gewicht. Keine Konvention“ Er lachte „Die Konsequenzen werde ich nie zu spüren bekommen.“ Er kam mit großen Schritten wieder auf mich zu. „Verstehst Du man?“ Wieder das Lachen. Ich zuckte mit den Schultern, anteilslos wie immer.
Am nächsten Tag war der Felsvorsprung verwaist. Und Johnnys Bett auch.
(c)
Aus dem Radio drang eine bekannte Melodie, doch so fremd in meinen Ohren. Wie unpassend sie hier zu hören. Wie unpassend, alles.
Ich zog an meinen Joint. Bald werde ich auch das nicht mehr spüren, dachte ich. Johnny gab ein müdes Lachen von sich. Was er wohl gerade gedacht hatte.
Ich fuhr mir mit der Hand über meinen Kopf, mein Kopf, der jetzt mit frischem Flaum bedeckt war. Dieses unvergleichbar weiche Gefühl, wenn sie wieder nachwachsen. Auch Eddie hatte sich die Haare abrasiert. Wahrscheinlich um dazuzugehören, was in Anbetracht der Situation ziemlich bitter war – erbärmlich sogar.
Johnny begann unvermittelt zu erzählen „Ist unser Leben zu kurz, oder das der anderen zu lang? Wisst ihr, ich habe nicht das Gefühl etwas verpasst zu haben. Ganz und gar nicht. Ich sitze hier und genieße jeden Augenblick mit der Hingabe eines Sterbenden. Es ist ein ganz besonderes Gefühl. Plötzlich ist alles Treiben der Welt so Nichtig und es gibt nichts mehr, was mir Angst macht.“ Er stand auf. Durch die tief stehende Abendsonne zog sich sein Schatten lang. Er ging ganz nach vorne, ganz dicht an den Abgrund und breitete die Arme auseinander. „Und jeder Atemzug wird zu etwas ganz Bedeutsamen, als hätte er seine ganz eigene Welt. Sollte man nicht so leben? Ist es nicht das, was den anderen Menschen fehlt?“ Eddie schwieg. Ich lehnte den Kopf gegen den kalten Felsen. „Irgendwann werden wir alle drauf gehen. Früher oder später. Alle.“ „Auch Chuck Norris?“ giggelte Eddie. Johnny beachtete ihn gar nicht und begann auf der Kante des Felsvorsprunges, auf dem wir saßen, zu balancieren. „Die eigenen Schmerzen sind zu ertragen, aber die der anderen nicht. Was wenn ich jetzt abstürze? Würde es nicht Monate, Jahre des Leidens ersparen? …“ Er hielt inne „Wenn man weiß, dass man sterben wird, ist alles so viel einfacher.“ Er stand nur im T-Shirt da, sein Atem schlug weiße Wölkchen in den abendlichen Himmel. „Keine Regel hat mehr Gewicht. Keine Konvention“ Er lachte „Die Konsequenzen werde ich nie zu spüren bekommen.“ Er kam mit großen Schritten wieder auf mich zu. „Verstehst Du man?“ Wieder das Lachen. Ich zuckte mit den Schultern, anteilslos wie immer.
Am nächsten Tag war der Felsvorsprung verwaist. Und Johnnys Bett auch.
(c)
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