Sonntag, 8. November 2015
Der Vogel und das Meer
Ich sank, bis tief unter die Erde- Nein, es war wohl der Meeresgrund an dem ich angelangt war. Ich hätte es mir niemals so finster vorgestellt. Bis hierhin war ich dir gefolgt.
Erst waren es Schritte und dann war ich gelaufen, bis ganz außer Atem das Wasser meine Lungen gefüllt hatte.
Meine Beine davongetragen.
Der Raum sich unter mir geweitet und meine Hände der Strömung hingegeben.
So schnell war ich gelaufen, dass ich es nicht bemerkt hatte.
Wie das Eis der Ozeane an den letzten Enden meines Bewusstseins schlug.
Bis hier hin war ich dir gefolgt. Bis zum Grund.
Es war wohl zu finster, um mich zu sehen.
Denn ich hörte dich nicht sprechen.
Dort unten bei all den leeren Flaschen die ich an dich adressiert hatte.
Ich konnte sie nicht sehen, doch ihr Funkeln erhellte die Dunkelheit.
Ganz schwerelos drückte das Gewicht der Tiefe auf meine Ohren.
Weißt du? Vielleicht bist du den falschen Weg gegangen.
Und ich bin ihn gelaufen, gerannt.
Es war wohl zu finster, um dich zu sehen. Doch ich konnte deinen Atem hören.
Tief auf dem Meeresgrund, wo die Nacht zu lang und der Morgen viel zu weit waren.
Doch- ich nahm sie mir.
Ich nahm sie alle. All‘ die Worte, die ich nicht sagen konnte, voller Salzwasser die Lungen.
All‘ die Briefe die ich dir nie geschrieben hatte.
Weggetragen von den Wellen, die hier unten nicht möglich waren.
Sie drückten.
So schloss ich meine Augen, die Arme reckten sich ganz wie von selbst, hinauf, hinauf.
Vielleicht würde ich zu einem Vogel werden. Weit weg vom Meer.
Hinauf, zu den Wellen. Sich unter dem Meeresgrund nichts mehr befand.
Es war wohl zu finster, mich zu sehen.
Ganz blind, absonderlich in der tiefen Nacht des Meeres.
Mit dem Kopf zuerst. Verließ ich diesen Ort.
Die Federn ganz dicht um mich geschlossen, nicht zu sinken.
Das Meer führt nur seine eigenen Tränen.
Hinauf, hinauf!
Ein Vogel.
Vielleicht war ich es. Er, versunken im Gedanken über sich, in einem geliebten Traum.
(c)

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