Samstag, 19. Januar 2013
Der kalte Krieg
„Das Ziel dieser Reise…“ R hielt inne und lächelte. „Schon gut.“
Er drehte den Wasserhahn ab und beugte sich über die Spüle. Sein Atem ging gleichmäßig, als er mit dem Kopf in das Spülwasser, die klare Seifenlauge tauchte.
_Hat dir schon mal jemand den Kopf gewaschen?_
K beobachtete das Geschehen reglos.
Als R seinen Kopf wieder hob, kümmerte er sich nicht darum, wie das Wasser sein Jackett hinablief und setzte sich wortlos auf die Couch, R gegenüber.
Auseinandersetzen.
K zog das Wort auseinaner. Aus einander.
_Aus einander setzen._
War womöglich sein Hass R gegenüber – gegenüber– der Grund aus dem er ihm helfen konnte?
„Muss ich etwas hassen um daran zu zweifeln?“
R schüttelte den Kopf und lächelte wieder. Sein Haar klebte an seinem Kopf. Sein Kopf klebte. Wie Kaugummi. Wie ein schwarzer Kaugummi auf rosafarbenen Teerboden.
„Nein. Aber Du wirst nichts anzweifeln, dass Du liebst.“
K atmete den Geruch von Tabak und Seifenlauge. „Das ist der blinde Fleck.“ Stellte er fest.
Feststellen.
_Festigkeit ist die Mauer die durch mein Hirn verläuft. Der kalte Krieg in meinem Hirn._
„Liebe und Leidenschaft ist das Gift der Aufklärung.“
„Hass und Verachtung also Erkenntnis?“
_Drehen wir die Verhältnisse um. Gut wird zu Böse und alles dazwischen gibt es nicht mehr._
Wer wird die erste Atombombe zünden? Die Wahrheit oder die selbstzufriedene Festigkeit.

„Und nun“ R änderte seine Position auf der Couch „Wirst du mich hassen.“
(c)

... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 18. Januar 2013
Was das Leben uns zeigt - Der Selbstmörder
Die vergangenen Jahre, Wochen, Tage haben mir nur immer dasselbe gezeigt:
Das Leben ist schlecht.
Die Menschen sind schlecht.
Eine lähmende Lethargie, eine unbemerkte Resignation hat sich in mein alltägliches Leben geschlichen.
Das Büro- so voller redender, sprechender, aktiver Menschen- die doch nichts sagen.
Die Stadt – kochend vor Lichtern und Energie – doch so leer und flach.
Die Wohnung – stilvoll eingerichtet, hell – und doch so quälend unpersönlich.
Mein Leben – ein großes weißes Tuch mit unsichtbaren Flecken.
Ich kenne niemanden.
Die leblosen Augen meiner Umwelt sind auf alles gerichtet was ich tue.
Doch auf nichts von Verstand und Inhalt.
Ich bewirke
Nichts.
Das Leben fließt an mir vorbei
Oder ich werde einfach mitgerissen.

Also finde ich mich auf dieser Brücke wieder. Der eisige Strom des kalten, reißenden Flusses fegt unter mir hinweg.
Ohrenbetäubend und unkontrollierbar. Wie das Leben.
Ich lege meinen Kopf auf die Brüstung- als könnte sie mich trösten.
Wie ein Kind das seinen Kopf auf den Schoß der Mutter legt. Denke ich.
Der kalte, raue Stein an meiner Haut liebt mich nicht.
Ich liebe ihn nicht.
Ungeachtet meines guten Anzuges, setze ich mich auf den Hosenboden, stecke meine Beine zwischen die Lücken des Geländers und beobachte, wie meine Füße haltlos über den reißenden Strom schweben.
_Ohne festen Boden unter den Füßen._
Ohne Halt, aber auch ohne jede Last.
Wie lange würde es dauern, bis mein Körper genug unterkühlt wäre und sich nicht mehr an der Wasseroberfläche halten könnte?
Qualvoll lange. Wie das Leben.
Ein Geräusch durchbricht meine Gedanken und ich löse meine Wange von dem scharfkantigen Stein.
Hinter mir ein junger Mann mit einer Stehlampe in der Hand. Wie absurd.
Ich drehe mich weg.
Meine Geste ignorierend quatscht er mich an. „Schön hier, nicht?“
„Nein.“ Antworte ich trotzig. Was sollen alle gesellschaftlichen Konventionen, wenn meine Füße sowieso bereits den Boden verlassen haben?
„Find‘ ich schon.“
Er stellt sich neben mich und deutet auf die kahlen Bäume und den Wald um uns herum.
„Es sieht alles tot aus.“ Rechtfertige ich mich.
Verdammt.
„Genau das ist doch das herrliche.“
Ich schaue hoch. Ein breites Grinsen.
Er strahlt mich an mit seiner beschissenen Lampe in der Hand.
„Verpissen Sie sich.“
_Warum Sieze ich den Kerl, verdammt?_
„Das macht es doch erst aus. Der Tod ist das Leben.“ Spricht der Fremde einfach weiter.
Als hätte ich nichts gesagt.
Er ignoriert mich einfach!
„Aber das müssen sie doch am besten wissen.“
Ich antworte nicht. Starre auf den kalten Fluss.
„Ficken Sie sich.“
_Schon wieder gesiezt!_
Er lacht. Ein raues, bitteres Lachen. Es schallt durch den Wald.
Er packt mich an den Armen. Zieht mich unsanft auf die Beine.
Fester Grund unter meinen Füßen.
Er greift so fest zu, dass es weh tut.
Die Lampe schwankt im Wind.
Ich spüre seinen warmen Atem auf meiner kalten Haut. Kalt von dem Wind. Kalt von den Steinen der Brüstung.
„Du machst es dir sehr leicht.“ Stellt er fest. „Hast wohl schon alles gesehen, was? Schon alles gehört? Warum erträgst du dann meine Worte nicht?“
Stille.
Wind.
Rauschen des Wassers.
Er lacht.
„Anmaßend, oder?“
Ich schaue weg.
„Willst du dich über mich lustig machen?“ frage ich und beobachte ein Blatt, das vom Wind in den Fluss getragen wird.
Ein bitteres Ausstoßen der Luft „Du machst dich doch lustig über das Leben.“
Er lässt ab von mir.
Ich sacke zusammen. Lehne gegen die kalte Brüstung.
Der Stein hat mich wieder.
„Die ist hässlich.“ Ich nicke in Richtung der Stehlampe.
Der Fremde zündet sich eine Zigarette an. Nimmt einen tiefen Zug.
„Wer Licht ins Dunkel bringt muss damit rechnen verhasst zu sein.“
Ich wende mich ab.
So ein Arschloch.
„Ich denke Sie sollten sich wirklich umbringen. Ein stinkendes Insekt weniger auf diesem Planteten.“
_Ein riesen Arschloch._ Denke ich.
Die Brüstung drückt sich schmerzhaft in den Rücken.
Er nimmt seine Lampe und geht.
Nach ein paar Schritten dreht er sich noch einmal um.
„Alles. Alles ist das Leben.“
Er geht.
(c)

... link (2 Kommentare)   ... comment


Freitag, 18. Januar 2013
Der Mensch und der Wald
Ich spürte den steten Strom des Regens auf mich niederrauschen. Die Nässe hatte keinen trockenen Flecken ausgelassen. Mein Körper und der Wald waren durchtränkt von diesem Stoff.
Ich rannte, bemüht den Hindernissen auszuweichen.
Ein ausgehobenes Loch in dem dunklen Waldboden, an dem ich kurz innehielt.
Hier hatte ich noch vor wenigen Stunden mit den Größen meiner Zeit gestanden, die Sonne hatte geschienen – Ich rannte weiter.
Wo war das Ende dieses Waldes?
Ein Blick zum Himmel zeigte mir, dass die Baumwipfel die Sicht auf die fernen Wolken verstellten.
Ich stolperte über einen Ast und blieb einen Augenblick am Boden liegen. Mein schneller Atem formte kleine Wölkchen. Ich hörte mein Herz laut und schnell pochen- dann die anderen Geräusche des Waldes, des Regens, der mit unverminderter Härte auf mein Bewusstsein einhämmerte.
Langsam rappelte ich mich auf. Bemüht nicht zu zittern.
Nässe. Und noch immer kleine Wölkchen vor meinem Gesicht.
Ein Schrei rang sich aus meiner Kehle. Erst animalisch und wild, bist ich es schaffte mich zu artikulieren:
„ICH BIN KEIN WOLF! ICH BIN KEIN GOTT!
ICH BIN NICHT FREI! ICH LIEGE NICHT IN KETTEN!
ICH HABE KEINE VERNUNFT! ICH HABE KEINEN TRIEB!“
Schrie ich den dunklen Wald an. Mein Atem ging schwer und meine nassen Kleider drückten auf meine Brust.
Doch die Worte wurden von der Dunkelheit verschluckt und von den Lauten des nassen Waldes überlagert.
Kein Ausweg aus diesem Wald. Der Blick auf die Wolkendecke versperrt. Die Bäume stillschweigend mich beobachteten, wie ich mit mir selbst in meiner nassen Haut rang.
(c)

... link (0 Kommentare)   ... comment