Sonntag, 1. Juni 2014
Meine Einsamkeit
Und ich ging diesen Weg, ohne es zu verstehen.
Ganz ohne mich umzudrehen über die Brücke am Ende der Stadt.
Meiner Stadt. Der so viel bedeutenden Heimatstadt.
Wind blies mir entgegen, als ich die letzten Schritte über den Fluss nahm.
Der Lärm in meinem Kopf wollte nicht schweigen.
Ein Zug erleuchtete das finstere Wasser unter mir.
Einsamkeit.
War es nicht das, was ich gewollt hatte?
Und nun stand ich unter dem Sternenhimmel. Wie ein Idiot.
Und Einsamkeit.
Gedankenverloren starrte ich in die Ferne. Irgendwo dort, wo sich Wasser und Horizont vereinen mussten.
Wo Licht und Schatten der fernen Stadt eins wird..
Ganz so wie das Unerreichbare in meinem Kopf.
So fühlt es sich also an, alles hinter sich zu lassen.
Die Hand um das letzte geklammert, was mir bleibt.
Was mir bleibt, um mich daran zu erinnern, wer ich bin.
Braucht der Mensch nicht immer etwas, das bleibt? Worauf soll ich mich verlassen?
Meinen Verstand?
„Hey! Sie!“
„Sie?“ Ich drehe mich überrascht um. In diesem Moment- wer?
„Verstehe.“ Das zierliche Mädchen lachte. „Aber als du vergangene Nacht auf dem Dach des höchsten Gebäudes gesessen hast, hast du nicht an den Verstand gedacht, oder?“
„Was?“ Ich umklammerte die kleine Dose in meiner Hand schmerzhaft fester.
„Was glaubst du denn, worum es im Leben geht?“ Wieder lachten sie.
Leben? Verstand?
Jetzt bloß nicht an daran denken. Bloß nicht…
„Deine Augen haben gelingen.“ Leise kam sie näher. „ Du hast keine Ahnung, was Einsamkeit bedeutet, denn du hast noch immer dich.“
„Mich?“
Endlos wiederholte sich dieses Wort in meinem Kopf.
Am Morgen zuvor hatte ich mich noch gefragt, wie ein normales Leben aussah.
In welchen Farben normale Menschen sehen. Und wie sie dieses merkwürdige Gefühl der Einsamkeit wahrnehmen.
Nahmen sie überhaupt?
Die Farbe der Einsamkeit konnte wohl keine Helle sein.
Irgendwo am Horizont zwischen Wasser, Himmel und Stadt.
Ganz zwischen Licht und Schatten.
„Ich frage mich, wie du mich dann gefunden hast.“
Wer wusste schon etwas von meinen Farben. Wer wusste schon, wie das Wasser aus meinen Augen aussah.
Und das war der Grund gewesen.
Einmal mehr hatte ich mich entschlossen, kein Unverständnis zu sähen.
Tun wir nicht alle nur so, als würden wir schweigen, weinen, miteinander lachen und sterben.
Als würden wir Licht und Schattens verstehen.
Als wäre diese Stadt unser Heimatort?
„Wer? Wer?“ Schrie ich entsetzlich laut, das ich mich fragen musste, ob der Fluss nicht meine Worte tief und entfernt in das Bewusstsein eines jeden dieser Menschen tragen würde.
„Ich.“ Das Mädchen.
„Ich bin diese Einsamkeit und diese Farbe in deinem Kopf. Und deshalb wirst du niemals davonlaufen können. Niemals dem hingeben können, was du als Weg siehst.“ Sie wies auf den Fluss. „Er fließt nur einmal. Doch jeder denkt er bewege sich. Er bewege sich nicht.“
Unwillkürlich sah ich in die Tiefen des Wassers, die Tiefen des Himmels.
Ein wahnsinniger Gedanke. Dass die Einsamkeit mich nicht allein lassen konnte.
„Aber ich…“ Meine Stimme brach in der Finsternis, bevor ein weiterer Zug sie erhellten. Meinen Mantel aufblähte und alles in diese Farbe färbte.
Sie war fort.
Ganz einsam hatte mich dieser Spuk verfolgt.
Bis hier. Bis an den Rand meiner Heimatstadt. Wo die Straßen wie der Fluss eine unendliche Bewegung führte.
Und ich wollte nur mich…
Im abwechselnden Zwielicht betrachtete ich die rostige Dose in meiner Hand.
Licht und Schattens auf den filigranen Farben.
Immer neu. Immer in Bewegung, als ich denk Deckel löse.
Ich am Rande dieser Stadt, am Rande dieser Vernunft.
Gemeinsam mit mir selbst, als ich das hervorziehe-
Doch-
„Er ist fort…“ flüsterte ich, als ich die Hülle des leeren Kokons hervorziehe.
So viele Jahrzehnte und nun, wo ich endlich diesen Weg gehe. Am Fluss. An der Heimatstadt.
Bei Licht und Schattens.
Und nun. Wirklich einsam mit mir selbst.
Kein Kokon meiner selbst mehr in meinen Händen.
Er ist fort. Ich bin fort.
(c)

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Donnerstag, 22. Mai 2014
Speed 24/7
Ich bin wach.
24/7
Und Speed.
Nein, ich bin der Protagonist, aber ich habe keine Ahnung vom Geschehen.
Und alles, was ich dem Leser – dir! - mitteilen kann ist verschwommen und unklar.
Die Wände zittern und mein Atem rasselt.
Input, Output-
Und du.
Du hörst mir zu, wie ich nicht schlafe.
Du perversen Voyeur. Was willst du sehen? Ich kann es dir geben.
Ich kann das sein, was in deinem schlimmsten Albträume haust.
Oder – die, von denen du glaubst, dass sie es sind.
Speed.
Wer? Wer hätte gedacht mich so vorzufinden?
2,80x4,60
Wenn du glaubst, es könne einen Sinn ergeben, hast du dich getäuscht.
Aber jetzt hat es einen Sinn bekommen.
Zwei Zeilen zu spät.
Hier jetzt.
Zwei Zeilen Unendlichkeit.
Vorbei.
Doch der Tag hat gerade erst angefangen.
Wenn du das hier liest, hat dein Tag angefangen.
Kannst du es nicht spüren, sehen und lesen?
Das bin ich. Ich, der Protagonist einer Geschichte, der unerlaubt in den Kopf des Lesers eindringt.
Das glaubst du nicht?
Sieh was ich angerichtet habe. Und staune.
Nun kann ich schlafen.

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Montag, 21. April 2014
Von hier bis ans Ende der Welt
Als ich aufwachte schien mein Kopf bersten zu wollen.
Ein langer Weg lag vor mir und alles schien dem innerlichen Gedanken zu gleichen.
Meine Enttäuschung über dieses Leben war bereits verflogen.
Und so lächelte ich, als ich Krabat aus seinem farblosen Traum weckte.
Erweckte.
Krabat hatte sich auf dem Beton zusammengekauert. Die Arme vor der Brust verschränkt wie ein Toter.
Sein Gesicht sah grauenvoll aus.
Voller Furchen der einst junge Mensch.
Als er die Augen öffnete, musste ich mich an unsere erste Begegnung erinnern.
Unwillkürlich und wahr.
„Du bist schon wach …“ Seien Atem traf kalt auf meine Stirn.
Damals hatte er nach meinem Namen gefragt.
Ich hatte nicht antworten können. Ich hatte nur in den Himmel starren können.
So wie jetzt.
Graue Wolken zum Dunst.
Und erklärte Ziele verborgen hinter Mauern.
„Ja.“ Meine Stimme war ein Flüstern in der urbanen Steppen.
Die Stille laugte uns aus- hatte sie uns doch zuvor gerufen.
Wir zogen los.
Immer den Berg hinauf, immer der Zeit entgegen.
Wir passierten Träume und Richtlinien.
Verkehrsschilder, denen niemand mehr Achtung schenkt und Gebäude, die sich neue Bewohner Gesicht haben.
Die Welt ist leer.
Und unsere Schritte hallten von den großen Mauern.
Von den großen Träumen.
„Wann wir wohl ankommen?“
Das ist ein schöner Gedanke.
Schon seit Jahren hatte ich mich nicht mehr getraut, ihn zu denken.
Doch Krabat sprach ihn aus.
In vollkommener Stille.
Ich antwortete nicht. Steckte in dieser Frage nicht schon genug von ihrer Antwort.

Wir hatten uns an einem Straßenkaffee getroffen. Damals.
Es war ganz einfach gewesen, Krabat zu kontaktieren.
Wir hatten stets vom Anderen gewusst. Nur nicht, dass er existierte.
Krabat hatte mir damals zum ersten Mal von seinem Traum erzählt.
Ein Traum, der ihn jede Nacht plagte.
Ein Traum, der nicht hinter hohen Fassaden verborgen werden konnte.
Es war unser Traum.
Doch erst: Gibt es das Ende der Welt?
Was ist Welt?
Dieses runde Ding, auf dem wir sitzen?
Krabat hatte gelacht, als ich das Bonbonpapier zu einer Kugel formte.
Wie viele Welten gibt es denn schon?
Und was ist das Ende?
Fangen wir an beim Anfang zu unterscheiden und hören beim Ende auf.
Das Paradox unserer Zeit.
Jede Nacht standen wir dort.
Am Ende der Welt. Unglauben hatte das Nichts vor uns geformt.
Und niemand konnte es uns ausreden.
Nur wir wussten es, kannten und verstanden es.
„Vielleicht sind wir nur wahnsinnig.“ Hatte Krabat gemutmaßt.

„Vielleicht.“
„Was?“ Krabat war mir ein paar Meter voraus.
Einen alten Telefonmasten hatte er ins Visier genommen.
„Ich werde hinauf und sehen, wie weit es noch ist.“
Eifrig.
Rostiges Metall auf seiner Haut.
Freiheit im Flug durch seine Federn.
(c)

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Krieg, ich atme. (Hamlets Tod)
Die Geräusche des Krieges verhallen hier.
Wenige Meter von mir die Böschung. Und hinunter in den Äther fliegt der Abgrund.
Keiner kann mir sagen, wo ich hier bin, wer ich bin.
Aber im Zweifelsfall … ich höre mich atmen.
Hinter diesen Geräuschen in meiner Brust steckt ein starker Geist und ich vermochte ihn nie ausfindig zu machen.
Aber jetzt höre ich ihn.
Abseits vom Krieg.
Ich muss gar nichts, bevor nicht dieses Momentum die Situation durchbricht.
Meine Heiligkeit der Einsamkeit durchbricht.
Der fließende Übergang zwischen Leben und Tod
Und den Dingen, die ich nicht auszusprechen wage.
Hier verlaufen sie.
Ich bin Hamlet.
Und ich atme.
Das ist nichts Besonderes.
Geröll lockert sich und rollt hernieder in die Tiefen dieses Abgrunds.
Einmal habe ich mit den Füßen baumelnd darüber gesessen.
Wer weiß schon, was Freiheit ist?
An jenem Tag stand ich Dante gegenüber.
Die alte Geschichte.
Von Gut und Böse. Jung und Alt.
Niemals können wir verstehen, wer unser gegenüber ist.
Er hatte seine Waffe gezogen.
Zumindest glaube ich mich daran zu erinnern.
Ich war so müde.
Aber ich habe geatmet. Am Abgrund des Lebens habe ich geatmet.
Und das Herz in meiner Brust hat geschlagen.
Kein Urteil zu fällen ist das schwerste im Menschenleben.
Und wer eine Waffe bei sich trägt – und das tun wir alle – lässt sich nicht mehr beredsam davon überzeugen.
Das war es, was ich in Dantes Augen sah.
Überzeugung.
„Zu welchen abscheulichen Dingen uns unsere Überzeugungen treiben. Sind sie doch nur Produkt unseres kranken Geistes.“ Hatte ich mich sprechen hören.
Gar nicht klein. Nur so müde.
Ich erinnere mich, wie die Morgensonne sich auf den dahinziehenden Gleisen spiegelte.
Der Frost auf dem Schotter. Eine eisige Schicht irgendwo zwischen Luft und Eis.
Wie eine Krankheit.
So haben wir uns behandelt.
Dante hatte gelächelt. Er hatte einfach nur gelächelt.
Waren wir uns nie so nah.
Empfindungen schwimmen über meinen Abgrund, wie die Wolken über die Berge fließen.
Wer weiß schon, was morgen ist.
Brutale Ehrlichkeit eines Weltvergessenen: Ich atme.
In meiner Brust lebe ich.
Doch dann wusste ich es.
Ganz unwillkürlich.
Gleicher hätten wir uns nie sein können.
Tödliche Blicke, mit jedem Schritt, dem ich näher kam und die Arme ausbreitete.
„Siehst du nicht, was wir sind? –
Die lethargischen Fremden unserer Zeit.“
Mit Waffen und Überzeugungen schnell zur Hand.
Und müde vom Krieg alle gegen alle.
Dem Leviathan gebeugt, doch innerlich atmen wir.
Ein falscher Herzschlag in unserer Brust, der nicht zu den Trommlern des Regimes passen will.
Nun wo ich hier sitze, kommt es mir so leicht vor.
Wir schlossen uns in die Arme.
Wie Brüder.
Zwei atmende Wesen.
„Doch: Niemand versteht.“
Noch immer spüre ich seinen Pulsschlag.
Sein Leben an meinen Händen und seine Gedanken in meinem Blut.
Ich sitze am Abgrund- verhalten.
Mit der geschlossenen Hand vor dem Mund, atmend das Salz des Meeres.
Die Geräusche des Krieges verhallen hier.
Vor meinen Augen der Abgrund, Brust, Geist.
Und Blut an meinen Fingern.
Wir werden uns noch oft gegenüberstehen, das weiß ich nun.
In dieser Morgendämmerung, immer gleich auf dem Gleisnetz unserer Zivilisation.
Und du wirst mich fragen –
Wirst mich fragen, welche Werte uns denn nur verbunden haben.
Und wir werden schweigen. Denn wir sind beide müde vom Krieg.
Müde vom Atmen
Immer wieder an einem neuen, eisigen Morgen.
Doch diesmal fand mein Dolch dein Herz.
(c)

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