Montag, 14. Januar 2013
Die Welt in meinem Kopf
dermensch, 20:29h
Kairo musste sich kurz den Kopf halten.
Etwas Unbändiges drückte von innen gegen seinen Schädel.
Urplötzlich wurde seine Aufmerksamkeit wieder auf die Gegenwart gelenkt.
Eine Frau mit dreckigem Kopftuch und einem Kind im Arm zerrte ihm an seinen Kleidern und schrie.
Sie wurde weggestoßen. Zurück in die wabernde Masse von Menschen auf dem staubigen Marktplatz.
Hände wurden nach Kairo ausgestreckt. Dreckige Hände. Mit Blasen und Narben übersäht.
Seine Wächter waren kaum in der Lage ihm von dem geifernden Mob zu trennen.
Der Verurteilte am Pranger.
Es roch nach Blut, Rauch und Schweiß.
Man begann zu sprechen. Seine Untaten vorzutragen.
Es fiel Kairo schwer sich zu konzentrieren. Die Menschen. Die aufgerührten Farben und Geräusche.
Die Gedanken in seinem Kopf.
Die Empfindungen in seiner Brust.
„… Zum Tode verurteilt.“
Die Masse raunte. Frauen schrien.
Ein heiseres Männerlachen.
Kairos Atem ging flach und er unterdrückte den Wunsch aufzuschreien.
Es muss so sein. Das ist deine Aufgabe.
Hallten die Worte seines Vaters ihm im Kopf wieder.
In dieser Welt ist alles verkehrt. Dachte er.
Starr und aufrecht stand er da.
Die Mittagssonne brannte auf seiner Haut. Ein Olivenbaum in seiner Nähe war bereits verdorrt von der Hitze.
Von der Trockenheit. Der Nüchternheit dieses Landes, die alle ganz irrational machte.
Der Scharfrichter trat vor.
Ein weißes Leinentuch wurde auf dem Boden ausgebreitet um Wohlwollen, Reinheit und Frieden zu symbolisieren.
Töricht. Dachte sich Kairo.
Wieder ein Anfall wilder Stimmen in seinem Schädel.
Der Wunsch -
All dieser Falschheit ein Ende zu bereiten.
Augen zu öffnen.
Feuer in seiner Brust.
Hass und Verachtung in seinen Adern.
Ein Dumpfer Schlag.
Kontrastreiche Röte auf dem weißen Leinen.
„Kairo!“
Der aufgebrachte Mob wurde still, bis keine Regung mehr wahrzunehmen war.
Kairo,
der seinen Blick kaum abwenden konnte – nicht aus Entsetzen, sondern unterdrückter Entschlossenheit – brachte mühevoll die erlernten, geschluckten Worte hervor.
„Der Wahrheit wurde genüge getan. Die Gerechtigkeit hat gesiegt. Wir haben unserem Gott gedient.“
Die Worte, widerwillig aber kraftvoll ausgespien, wandte er sich ab.
Weg von der Masse, die nach Aufmerksamkeit ihres Herrschers gierte.
„Wir gehen.“ Raunte er einem seiner Gefolgsleute leise zu, seine eindringliche Stimme verlor sich im zufriedenen, genährten Murmeln der Masse.
Kairo auf dem Dach seines Palastes.
Kairo unter der schweren Abendsonne, dem müßigen Wind, den Lauten der unruhigen Stadt.
An seinem Hinterkopf eine selbst zugefügte Wunde.
Er hatte versucht sich die Gedanken aus dem Kopf zu schlagen.
Das Pochen, Drängen, Reißen.
Den Wahnsinn.
Hatte versucht das brennen in seiner Brust zu beruhigen. Den Hass in seinen Händen zu bändigen. Ihm ein Opfer zu geben.
„Herr-“ Jemand trat zu ihm und stutzte, als er die gedankenverklebten Haare sah.
Kairo blickte auf die roten Hände.
Der Bedienstete fasste sich.
„Eine der Frauen aus dem nahegelegenen Dorf ist eingetroffen. Darf ich sie zu euch führen?“
Kairo nickte knapp.
Es war Brauch in den Dörfern, um die Gunst des Herrschenden zu erlangen, ihm ein Geschenk für seinen Harem zu machen.
Doch Nadia, das sah Kairo auf einem Blick. Nadia nicht.
Sie hieß auch nicht Nadia.
Lola.
Er kannte sie bereits.
„Bringt sie in meine Gemächer.“
„Ein Krieg. Das wollt ihr. Brutalität und Hass schüren.“
Lola spuckte die Worte aus.
Kairo nickte.
„Ist das alles? Was seit ihr nur für ein Mensch!“ Ein gefährliches Funkeln in den Augen der Anführerin der Rebellen.
Kairo ging an das Fenster.
Tief unter ihm das Meer, das gegen wie Brandung gepeitscht wurde.
Der gespenstisch tief blaue Ozean im Licht der Sterne.
In einem anderen Leben wäre er ihr Verbündeter.
Oder das Meer.
Kurz hielt er inne. Wartete auf Ruhe in seinem Kopf. Denn dort herrschte eine Welt, die all die Farben und Lichtspiele um ihn herum verhöhnte, als seien sie nur unscharfe Schatten.
Kairo legte sich ausgestreckt auf den Boden.
Den Kopf so, dass er die Sterne sehen konnte.
Und er begann zu sprechen
„Während ich eines Nachts den Himmel so betrachtete, überkam mich eine Empfindung, wie ich sie zuvor nicht kannte und nicht benennen konnte.
Diese Empfindung nährte sich von allem Schönen in der Welt. Von allem Glück, jeder Reinheit, Vernunft, Tiefe.“
Ein Stern fiel herab.
„Aber auch von allem Schlechten. All dem Leid, dem Hass, der Zwietracht. Der Finsternis in unserem Herzen. All das hat eine furchtbare Ästhetik.“
Lola stand verwirrt im Raum.
„Aber Du mordest Menschen auf bestialische Weise. Du…“
Kannst kein feinfühliger Mensch sein.
„Die Menschen sind krank.“
Das Meer, vom Wind gepeitscht, brauste auf.
„Sie lieben die rohe Brutalität, ihren Herrscher, ihren Gott. Sie wissen nichts von der wahren Welt, sie-“
„Was weißt DU denn schon?“ Aufgebracht hatte Lola sich drohend über ihm gebeugt. Augen brannten in ihrem Gesicht.
Wie das Feuer.
Das Drücken in seinem Hirn.
Das laute Meer.
Das Stöhnen der schlafenden Stadt.
„Ich will nicht herrschen.“ Kairos Worte wie kühles Wasser. „Ich will nicht beherrscht werden.
Ich kann nicht herrschen. Niemand kann mich beherrschen.
Ich bin das Unkraut im Garten Eden.
Ich bin das Auge das sieht, doch die Zunge fehlt mir!“
Ein Atemzug und alle Mauern waren eingerissen. Kairo, ohne dass er wusste wie ihm geschah, stand vor dem Fenster, die Arme ausgestreckt, gen Himmel blickend.
„Abgeschlagen wurde sie mir. Mit der Klinge der Menschlichkeit.
Mein eigenes Blut fließt durch diesen Kopf, meine eigenen Gedanken durch meinen Körper.
Doch ihr wollt nur die Haut!
Nehmt sie!
Kratzt sorgfältig die roten Rinnsale meiner Welt ab!
Ich bin der einsame Narr! Das Menschenkind unter den Wölfen!
Ich bin nicht der Herrscher.
Ich bin nicht der Mensch.
Nicht meine Haut.
Ich bin die starke, leidenschaftliche Empfindung. Bin die Wut in meinen Adern, die Welt in meinem Kopf!“
Ein freier Fall in die tiefe Linderung des Meeres.
Etwas Unbändiges drückte von innen gegen seinen Schädel.
Urplötzlich wurde seine Aufmerksamkeit wieder auf die Gegenwart gelenkt.
Eine Frau mit dreckigem Kopftuch und einem Kind im Arm zerrte ihm an seinen Kleidern und schrie.
Sie wurde weggestoßen. Zurück in die wabernde Masse von Menschen auf dem staubigen Marktplatz.
Hände wurden nach Kairo ausgestreckt. Dreckige Hände. Mit Blasen und Narben übersäht.
Seine Wächter waren kaum in der Lage ihm von dem geifernden Mob zu trennen.
Der Verurteilte am Pranger.
Es roch nach Blut, Rauch und Schweiß.
Man begann zu sprechen. Seine Untaten vorzutragen.
Es fiel Kairo schwer sich zu konzentrieren. Die Menschen. Die aufgerührten Farben und Geräusche.
Die Gedanken in seinem Kopf.
Die Empfindungen in seiner Brust.
„… Zum Tode verurteilt.“
Die Masse raunte. Frauen schrien.
Ein heiseres Männerlachen.
Kairos Atem ging flach und er unterdrückte den Wunsch aufzuschreien.
Es muss so sein. Das ist deine Aufgabe.
Hallten die Worte seines Vaters ihm im Kopf wieder.
In dieser Welt ist alles verkehrt. Dachte er.
Starr und aufrecht stand er da.
Die Mittagssonne brannte auf seiner Haut. Ein Olivenbaum in seiner Nähe war bereits verdorrt von der Hitze.
Von der Trockenheit. Der Nüchternheit dieses Landes, die alle ganz irrational machte.
Der Scharfrichter trat vor.
Ein weißes Leinentuch wurde auf dem Boden ausgebreitet um Wohlwollen, Reinheit und Frieden zu symbolisieren.
Töricht. Dachte sich Kairo.
Wieder ein Anfall wilder Stimmen in seinem Schädel.
Der Wunsch -
All dieser Falschheit ein Ende zu bereiten.
Augen zu öffnen.
Feuer in seiner Brust.
Hass und Verachtung in seinen Adern.
Ein Dumpfer Schlag.
Kontrastreiche Röte auf dem weißen Leinen.
„Kairo!“
Der aufgebrachte Mob wurde still, bis keine Regung mehr wahrzunehmen war.
Kairo,
der seinen Blick kaum abwenden konnte – nicht aus Entsetzen, sondern unterdrückter Entschlossenheit – brachte mühevoll die erlernten, geschluckten Worte hervor.
„Der Wahrheit wurde genüge getan. Die Gerechtigkeit hat gesiegt. Wir haben unserem Gott gedient.“
Die Worte, widerwillig aber kraftvoll ausgespien, wandte er sich ab.
Weg von der Masse, die nach Aufmerksamkeit ihres Herrschers gierte.
„Wir gehen.“ Raunte er einem seiner Gefolgsleute leise zu, seine eindringliche Stimme verlor sich im zufriedenen, genährten Murmeln der Masse.
Kairo auf dem Dach seines Palastes.
Kairo unter der schweren Abendsonne, dem müßigen Wind, den Lauten der unruhigen Stadt.
An seinem Hinterkopf eine selbst zugefügte Wunde.
Er hatte versucht sich die Gedanken aus dem Kopf zu schlagen.
Das Pochen, Drängen, Reißen.
Den Wahnsinn.
Hatte versucht das brennen in seiner Brust zu beruhigen. Den Hass in seinen Händen zu bändigen. Ihm ein Opfer zu geben.
„Herr-“ Jemand trat zu ihm und stutzte, als er die gedankenverklebten Haare sah.
Kairo blickte auf die roten Hände.
Der Bedienstete fasste sich.
„Eine der Frauen aus dem nahegelegenen Dorf ist eingetroffen. Darf ich sie zu euch führen?“
Kairo nickte knapp.
Es war Brauch in den Dörfern, um die Gunst des Herrschenden zu erlangen, ihm ein Geschenk für seinen Harem zu machen.
Doch Nadia, das sah Kairo auf einem Blick. Nadia nicht.
Sie hieß auch nicht Nadia.
Lola.
Er kannte sie bereits.
„Bringt sie in meine Gemächer.“
„Ein Krieg. Das wollt ihr. Brutalität und Hass schüren.“
Lola spuckte die Worte aus.
Kairo nickte.
„Ist das alles? Was seit ihr nur für ein Mensch!“ Ein gefährliches Funkeln in den Augen der Anführerin der Rebellen.
Kairo ging an das Fenster.
Tief unter ihm das Meer, das gegen wie Brandung gepeitscht wurde.
Der gespenstisch tief blaue Ozean im Licht der Sterne.
In einem anderen Leben wäre er ihr Verbündeter.
Oder das Meer.
Kurz hielt er inne. Wartete auf Ruhe in seinem Kopf. Denn dort herrschte eine Welt, die all die Farben und Lichtspiele um ihn herum verhöhnte, als seien sie nur unscharfe Schatten.
Kairo legte sich ausgestreckt auf den Boden.
Den Kopf so, dass er die Sterne sehen konnte.
Und er begann zu sprechen
„Während ich eines Nachts den Himmel so betrachtete, überkam mich eine Empfindung, wie ich sie zuvor nicht kannte und nicht benennen konnte.
Diese Empfindung nährte sich von allem Schönen in der Welt. Von allem Glück, jeder Reinheit, Vernunft, Tiefe.“
Ein Stern fiel herab.
„Aber auch von allem Schlechten. All dem Leid, dem Hass, der Zwietracht. Der Finsternis in unserem Herzen. All das hat eine furchtbare Ästhetik.“
Lola stand verwirrt im Raum.
„Aber Du mordest Menschen auf bestialische Weise. Du…“
Kannst kein feinfühliger Mensch sein.
„Die Menschen sind krank.“
Das Meer, vom Wind gepeitscht, brauste auf.
„Sie lieben die rohe Brutalität, ihren Herrscher, ihren Gott. Sie wissen nichts von der wahren Welt, sie-“
„Was weißt DU denn schon?“ Aufgebracht hatte Lola sich drohend über ihm gebeugt. Augen brannten in ihrem Gesicht.
Wie das Feuer.
Das Drücken in seinem Hirn.
Das laute Meer.
Das Stöhnen der schlafenden Stadt.
„Ich will nicht herrschen.“ Kairos Worte wie kühles Wasser. „Ich will nicht beherrscht werden.
Ich kann nicht herrschen. Niemand kann mich beherrschen.
Ich bin das Unkraut im Garten Eden.
Ich bin das Auge das sieht, doch die Zunge fehlt mir!“
Ein Atemzug und alle Mauern waren eingerissen. Kairo, ohne dass er wusste wie ihm geschah, stand vor dem Fenster, die Arme ausgestreckt, gen Himmel blickend.
„Abgeschlagen wurde sie mir. Mit der Klinge der Menschlichkeit.
Mein eigenes Blut fließt durch diesen Kopf, meine eigenen Gedanken durch meinen Körper.
Doch ihr wollt nur die Haut!
Nehmt sie!
Kratzt sorgfältig die roten Rinnsale meiner Welt ab!
Ich bin der einsame Narr! Das Menschenkind unter den Wölfen!
Ich bin nicht der Herrscher.
Ich bin nicht der Mensch.
Nicht meine Haut.
Ich bin die starke, leidenschaftliche Empfindung. Bin die Wut in meinen Adern, die Welt in meinem Kopf!“
Ein freier Fall in die tiefe Linderung des Meeres.
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