Donnerstag, 12. September 2013
Kairo: Vom Fieber zum Feuer
„Kairo? Bist du das?“
„Ja.“ Kairo hatte sich die Haare zurückgekämmt.
Am Fenster gestanden und in die Freiheit geblickt.
„Wo warst du?“
Der Geruch von schlechtem Parfum und Übermut durchströmte das Zimmer.
Kairo drückte seine Stirn an die Scheibe.
Die fiebernde Stirn an dem kalten Glas.
„Hier.“
Hier im letzten Moment.
Hier in jedem Moment.
Überall ist hier.
„Ich muss jetzt gehen. Ich weiß nicht, ob ich wiederkommen werde.“
Kairo löste sich von dem Glas.
Löste sich von dieser Grenze.
Ein bestürztes Geräusch aus den Lungen des Fremden.
Des Fremden, mit dem man sein Zimmer teilt.
Die Berge erstreckten sich vor Kairos Augen.
Doch nicht das –
Doch nicht das was er wollte.
Keine Freiheit hinter Glas.
„Wo- Wohin willst du denn gehen?“
Kairo zuckte mit den Schultern.
Kairo zuckte mit den Schultern, griff nach seinem Mantel, seiner Würde und seinem Fieber.
Verlassen.
So ließ er auch diese Wohnung hinter sich.
Dieses Treppenhaus.
Diese Nachbarn- die gemieteten Nachbarn.
Das erkaufte Stück Leben am Rande der Stadt.
Ein Blick zurück.
Sein Fenster leer. Die Augen auch.
„Ich träume von einem Morgen an einem anderen Ufer.“
Knarzte die graue Gehwegplatte unter seinen Füßen.
Das Gefühl von Füßen auf Stein und Metall.
Freiheit eine Illusion?
Kairo setzt einen Fuß vor den anderen.
Ein sonderbar bewusstes Gefühl.
Weg von diesem Ort. Dem Fieber nachgegeben.
„Wo wird es mich hintreiben?“ flüstert Kairo in die kalte Nachtluft.
Vorüber an Obdachlosen, Kopflosen, Herzlosen.
Vorüber an Straßenbahnen, Banken, Kurzwahltasten.
Wo ist das Ziel?
Verflossen die Zeit, das Erleben, das Greifbare in Kairos Händen.
Verflossen die Wehmut, die Sehnsucht, das Mineralwasser.
Mineralwasser in der praktischen PET Flasche.
Kairo bleib vor einem Discounter stehen.
Sein fieberndes Spiegelbild auf dem beklebten Glas.
Beklebt und dreckig.
Unter den Menschen und kein Riss, kein Loch, keine Rebellion.
Und Kairo lacht.
Kairo lacht.
Den Mund geöffnet. Die Menschen bleiben stehen.
„Und ihr glaubt an Freiheit.“
Worte gesprochen von seinem fiebernden Mund.
Irgendwo am Stadtrand.
Der Discounter des Lebens.
Der Schmutz des Alltages unter Kairos Fingernägeln.
Und brennend das Feuer der Leidenschaft in seinen Herzen.
So lacht er, umringt vom Stoff aus dem dieses Leben ist.

Kairo war geflohen.
Mit der Straßenbahn bis zur letzten Station.
Neue Luft in Kairos Lungen.
Freiheit musste irgendwo hier anfangen.
Wie würde sie wohl riechen?
Wie würde sie schmecken?
Wie lange hatte sich Kairo davor verschlossen.
Hier hörte die Straße auf-
Achtlos entsorgte Gegenstände und Müll erinnerten sich noch.
Achtlos zur Seite geworfen.
Am Ende der Straße. Am Ende der Stadt.
Wo der Asphalt einfach verschwindet-
Und Kairo. Kairo zwischen den erinnernden Gegenständen.
Kairo zwischen dem Müll.
Achtlos ur Seite geworfen.
Am Rande der Stadt, am Rande seines Lebens.
„Und so fühlt sich Freiheit an?“
Kairo versuchte auf dem unwegsamen Gelände zu laufen.
Sich aufrecht zu halten.
Standhaft zu bleiben.
Vergeblich.
Auf Asphalt ist Standhaftigkeit leichter.
Unter einem Baum blieb Kairo stehen.
Das Fieber auf seiner Haut war verbrannt.
„Aber wo ist denn nun die Freiheit?“
Schrie er den dunklen Wald an.
Seine Lungen und sein Verstand schmerzten ihn.
Von Bäumen umringt sank er auf die Knie.
Kein Lachen mehr in seiner Kehle.
„WO IST DIESE FREIHEIT?“
Seine Sehnsucht floss auf den Waldboden.
Sickerte in den Grund.
Den Grund der Dinge.
„Aber Kairo…“
Er erschrak, als er seine eigenen Gedanken in der tiefen Stille des Waldes hörte.
„Aber, Kairo. Freiheit. Das ist doch kein Ort.“
Da entflammte die Erkenntnis das Feuer in seiner Brust.
„… Denn ich bin die starke, leidenschaftliche Empfindung. Die Welt in meinem Kopf!“
(c)

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